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Tag des offenen Denkmals 2021

Banner zur Kampagne Tag des offenen Denkmals 2021

Der Tag des offenen Denkmals wird seit 1993 bundesweit von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz veranstaltet. Seit den Anfängen nimmt die Stadt Wesel regelmäßig teil.  

Der Tag des offenen Denkmals soll die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege wecken. Doch seit der Corona-Pandemie ist vieles anders: Führungen und Rundgänge sind aufgrund der Pandemie nur schwer möglich. Damit dennoch die deutsche Denkmallandschaft erlebbar gemacht werden kann, hat die Stiftung auch in diesem Jahr dazu aufgerufen, Denkmäler digital aufzubereiten und der Öffentlichkeit vorzustellen.

Die Stadt Wesel folgt diesem Aufruf und stellt den alten jüdischen Friedhof an der Esplanade vor.

Jüdische Friedhöfe in Wesel

Die beiden jüdischen Friedhöfe stellen fast die einzigen Zeugnisse jüdischen Lebens in Wesel dar. Der ältere Friedhof an der Norbertstr./Esplanade wurde ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zu der Öffnung des jüngeren Friedhofs 1880 genutzt. Dieser Friedhof, der allein zwischen 1822 und 1835 50 Tote aufgenommen hat, zeigt heute nur etwa 45 Steine und Steinreste einschließlich herumliegender Bruchstücke. Die Gesamtzahl der Bestattungen bleibt unbekannt. Es kann aber kein Zweifel bestehen, dass dieser Friedhof voll belegt war und nurmehr ein Bruchteil der Steine erhalten geblieben ist. 

Jeder der erhaltenen Steine enthält Informationen, die aus anderen Quellen ergänzt werden können oder auch in anderen Quellen nicht zu finden sind. Die Steine geben Auskunft über das innerjüdische religiöse und gemeindliche Leben, das ohne sie kaum zu rekonstruieren ist. Über dieses innerjüdische und allgemein jüdische Interesse hinaus gibt es einige auch für das Interesse einer breiteren Allgemeinheit wichtige und interessante Stelen. 

Ein Ort für die Ewigkeit

Im Gegensatz zu den christlichen Friedhöfen sind jüdische Friedhöfe für die Ewigkeit, das heißt bis zur Auferstehung am jüngsten Tag angelegt. Daher wurde von der Gemeinde stets ein oft außerhalb gelegenes Gelände käuflich erworben, hier ein Grundstück im Festungsbereich, welches anderweitig kaum nutzbar war. Die Friedhöfe sollen mit der Natur in Einklang sein, daher ist Blumenschmuck unüblich.

Grabgestaltung

Die Formen und die Gestaltung jüdischer Grabsteine nähern sich im Lauf der Zeit denen auf christlichen Friedhöfen an; vor allem bei Steinen des 19. Jahrhunderts findet man die gleichen Zierformen gemäß dem damaligen Zeitgeschmack. Ein Beispiel auf diesem Friedhof ist der Giebelaufsatz (letztes Foto) den man, abgesehen von der dargestellten Levitenkanne, so auch bei christlichen Grabmalen finden kann. Lediglich einige der dargestellten Motive (z.B. Levitenkanne, segnende Hände) unterscheiden sich.

Trauerrituale

Die Beerdigung erfolgt so schnell wie möglich; bis dahin wird Totenwache durch die Angehörigen oder die Chewra Kaddischa, eine Beerdigungsgesellschaft, gehalten. Für die Angehörigen von Verstorbenen sind nach der Beerdigung drei Trauerzeiten vorgegeben: Die erste dauert sieben Tage, die zweite dreißig Tage und die dritte endet nach einem Jahr. Jede der Trauerphasen hat bestimmte Verpflichtungen und Einschränkungen, die einzuhalten sind. Nach dieser Zeit wird das Grab aufgesucht sowie dann stets in den folgenden Jahren zu diesem Datum.

Inschriften

Die Inschriften geben zwischen der Einleitungsformel und dem Schlußsegen mindestens Auskunft über den Namen und das Sterbedatum, oft aber auch Hinweise auf Taten oder das Wesen der Verstorbenen, eine wertvolle historische Quelle, die Aufschluss über das Leben der jüdischen Bürger*innen gibt. Mit ihrer Hilfe kann das religiöse oder gemeindliche Leben zumindest in Teilbereichen rekonstruiert werden. Viele Bürger*innen jüdischen Glaubens engagierten sich vor allem auf kulturellem oder wohltätigem Gebiet und haben damit einen nicht unbedeutenden Anteil an der Stadtgeschichte.

Bis ins 19. Jahrhundert waren die Grabsteine ausschließlich hebräisch beschriftet. Erst danach gab es auf der Rückseite des Steines deutsche Inschriften, die später auf der Vorderseite unterhalb der hebräischen Inschrift angebracht wurden und schließlich die hebräische Inschrift ganz verdrängten.

Restaurierung

In den Jahren 2007/2008 wurden die Grabsteine auf den jüdischen Friedhöfen in Wesel mit Hilfe eines Förderprogrammes des Landes NRW durch den Steinmetzbetrieb Manfred Messing aus Kempen behutsam konserviert und gesichert. Die Schriftflächen wurden mit speziellen Steinklebern gesichert, Fragmente zusammengefügt und die Standfestigkeit überprüft.

Hier geht es zum virtuellen Rundgang - Jüdischer Friedhof Wesel

Dankeswerterweise erstellt von Rainer Gellings, Stadtbrandinspektor Freiwillige Feuerwehr Wesel (Löschzug Büderich)


David Jacobs – 1665 oder 1668

Der relativ kleine, schlichte Stein des David Jacobs ist der älteste erhaltene Stein dieses Friedhofes. Er bestätigt die vermutete Inbetriebnahme dieses Friedhofes im späten 17. Jahrhundert. Die Stele mit rundbogigem Abschluss und seitlichen Voluten zeigt eine rechtsbündig eingemeißelte Beschriftung, die die Symmetrie beeinträchtigt. Vermutlich wurde die Inschrift von einem nichtjüdischen Steinmetz gefertigt, der Probleme mit den hebräischen Schriftzeichen hatte.

Bei dem Verstorbenen handelte es sich um den Rabbiner David Jacobs, der, aus Friesland stammend, sich spätestens 1623 in Wesel niederließ. Er wurde zum ersten Rabbiner des Herzogtums Kleve ernannt, der alle innerjüdischen Streitigkeiten zu schlichten hatte.

(Nach: N. Hüttenmeister – Salomon Ludwig Steinheim – Institut Duisburg)


Simcha Dan – 1744

Der Basaltstein für Simcha Dan ist eine äußerst sorgfältig gearbeitete Stele mit abgetrepptem Schweifgiebel, hochwertiger erhabener Schrift und umlaufender Rahmung.

Die beiden Teile des zerbrochenen Steins wurden in verschiedenen Jahren im Boden gefunden und wieder zusammengefügt.

Über den Verstorbenen ist bekannt, dass er als Rechnungsführer der jüdischen Gemeinde fungierte. Er stammte vermutlich aus der Gompertz-Familie, die über mehrere Generationen die Rabbiner stellten.

(Nach: N. Hüttenmeister – Salomon Ludwig Steinheim – Institut Duisburg)


Jizchak Jaakow – 1744

Das Grabmal des Jizchak Jaakow weist ähnliche Gestaltungsmerkmale wie Stein Nr. 18 auf und stammt aus demselben Jahr. Auch dieser aufwändig gefertigte Basaltstein wurde im Boden gefunden und wieder aufgestellt.


Schne’ur Salman – 1836

Die rechteckige Stele aus rotem Mainsandstein könnte in ihrer Machart auch auf christlichen Friedhöfen stehen. Sie entspricht der damals üblichen Gestaltung mit seitlicher Einrahmung durch Pilaster (flache Pfeiler), die mit Kapitellen aus Blüten oben abschließen, verziertem Schlussstein und Blattwerk in den Zwickeln, einem häufigen Motiv auf Friedhöfen.

Der dort Begrabene war Junggeselle und verstarb im Alter von 55 Jahren in der Nacht des Pessachfestes, was aus dem als Gedicht arrangierten Text hervorgeht.


Lea Simon – 1842

Die Sandsteinstele für Lea Simon wurde vielleicht von einem jüdischen Steinmetz gearbeitet; darauf weisen ähnliche Grabsteine in Alpen, Krefeld und Xanten hin. Die Stele weist einen schönen geschweiften Rundbogenabschluss sowie eine scharrierte Rahmung auf.

Wie bei den meisten Sandsteinen waren die Schäden ausgeprägt: der Stein konnte nicht vor Ort instandgesetzt werden und wurde in einer Steinmetzwerkstatt in Kempen restauriert. Dort wurden die losen Schalen neu verklebt, die Hohlräume und Risse mit Epoxidharz hinterspritzt und die Übergänge mit Restauriermörtel angeböscht.


Hannah Feibelmann – 1842

Der Grabstein für Hannah Feibelmann aus dem Jahr 1842 besticht mit schön gegliederter, vertiefter Inschrift. Aus dem Text geht hervor, dass sie sich um Arme und Bedürftige gekümmert hat.


Mordechai Lipman – 1845

Diese Stele aus Ruhrsandstein weist erhebliche Schäden an der abblätternden Oberfläche auf. Hier hatte sich der Schriftbereich durch Frostsprengung gelöst, die Steinschichten waren aufgequollen; darunter fanden sich bei der Restaurierung im Jahr 2008 Käfer und Insekten. In der Werkstatt des Steinmetzes Manfred Messing, Kempen, wurden 40 dünne Löcher gebohrt, in die Injektionen mit Epoxidharz erfolgten, um den Stein zu festigen. Die losen Schalen an der Oberfläche wurden neu verklebt und die Ränder mit Restauriermörtel angeböscht.

Die Inschrift gibt keine weiteren Informationen über den Verstorbenen.


Schewa Schönche – 1861

Die breite Stele aus Sandstein war umgekippt und wurde am Rand des Friedhofes wieder aufgestellt. Sie ist relativ gut erhalten; die eingetiefte Schrift ist zentriert und folgt in der ersten Zeile dem eingezogenen Bogen.

Das Grabmal wurde einer in jungen Jahren Verstorbenen gesetzt, wie der Inschrift zu entnehmen ist: „… lieblich in all ihren Werken, Liebling ihrer Eltern, Gefallen fand sie in den Augen aller, die sie sahen, anmutsvoll und züchtig und verschämten Angesichtes…“

(Nach: N. Hüttenmeister – Salomon Ludwig Steinheim – Institut Duisburg)


Bernhard Goldschmidt  1880

Die liegende Grabplatte aus Blaustein für Bernhard Goldschmidt weist für diesen Friedhof eine Besonderheit auf: er ist ausschließlich deutsch beschriftet. Über den Verstorbenen weiß man, dass er unverheiratet war und keine Nachkommen hatte. Das Geburtsdatum ist nicht zu entziffern, man weiß jedoch aus anderen Quellen, dass er 1808 bereits volljährig war. Er müsste also über 90 Jahre alt geworden sein.


Mosche Bendit – 1829

Als Besonderheit handelt es sich bei diesem außergewöhnlichen Stein aus Marmor um eine ersetzte Inschrifttafel des Berliner Tores in Wesel, deren Rückseite hier eine zweite Verwendung gefunden hat.

Die gerahmte Inschrift, nur noch schlecht zu entziffern, verweist auf seine verstorbene Frau: „Die einander lieb im Leben sind auch im Tode nicht getrennt. Hier ist begraben zu Füßen seiner Gattin…“ Seine Frau ist 7 Jahre vor ihm gestorben; ihr Grabstein ist ebenfalls erhalten.

(Aus: Michael Brocke, Nur Gräber bleiben mir, 1988)


Simcha Halevi – 1843

Der Marmorstein für Simcha Halevi (links) ist nur noch als Fragment erhalten und zeigt oben in der Mitte eine eingetiefte Levitenkanne. Leviten waren traditionell die Tempeldiener und dort für die Reinheit zuständig. Unter anderem war es ihre Aufgabe, den Priestern vor dem Segnen die Hände zu waschen. 
Die Darstellung der Levitenkanne war ein häufiges Motiv; auch den nur als Fragment erhaltene Giebelaufsatz (rechts) ziert eine solche Kanne.

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