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Stichtag: 01. November 1886 - Wasserwerk Fusternberg nimmt Betrieb auf

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Am 1. November 1886 begann in Wesel eine neue Zeitrechnung. Das revolutionär Neue war die Wasserversorgung der Stadt mittels Wasserwerk. Diese löste die bis dahin seit dem Mittelalter übliche Versorgung über Brunnen und Pumpen ab. 1886 gab es noch 24 solcher nicht immer hygienisch einwandfreien Wasserquellen, die seit 1867 nicht mehr durch Pumpennachbarschaften, sondern von der öffentlichen Hand unterhalten wurden. Die Zahl der Pumpen wurde sogleich auf die Hälfte reduziert und sechs Jahre später ganz abgeschafft.

In den späten 1870er Jahren war die Entscheidung gefallen, die notwendigen Arbeiten für eine moderne Wasserversorgung zu erstellen. So begann die Stadt 1880 mit dem Bau eines Wasserwerks in Fusternberg oberhalb der Lippe. Gebaut wurde nach den Entwürfen und unter der Leitung des Ingenieurs Ehlers. Der Hauptbrunnen hatte eine Weite von vier Metern und eine Tiefe von 10,20 Metern. In seiner unmittelbaren Nähe wurde das Maschinen- und Kesselhaus errichtet. Wegen der Hochwassergefahr wurde der untere Teil wasserdicht hergestellt. Das Wasserwerk steht auf einer aufgeschütteten hochwasserfreien Terrasse.

Im Maschinenraum arbeiteten zwei horizontale Einzylindermaschinen mit je zwei Plungerpumpen pro Maschine. Die Anlage hatte rund 17 PS. Der Dampf wurde in einem Zweiflammrohrkessel erzeugt. Die dazu notwendige Kohle kam anfangs mit Pferdefuhrwerken und wurde im Kohleschuppen gelagert. Erst 1908 wurde ein Anschlussgleis zur Eisenbahnstrecke Wesel-Haltern gelegt.

Neben dem Wasserwerk musste in der Stadt ein Wasserturm errichtet und ein Rohrnetz verlegt werden. Der Bau des Wasserturms wurde erst 1886 in Angriff genommen. Das Grundstück in der Brandstraße war zuvor von der Stadt erworben worden. Im Juni dieses Jahres wurde auf dem eisernen Turmgerüst ein 600 qbm fassender Wasserbehälter installiert. Die Arbeiten endeten am 23. Oktober. Danach erst wurde das Turmgerüst mit Mauerwerk ummantelt und das Dach eingewölbt.

Die Verlegung des gut 17 km langen Rohrnetzes begann am 23. März 1886. Zwei Jahre später bezogen schon 85 Prozent der Häuser in der Stadt ihr Wasser vom Wasserwerk.

Von 1903 bis 1905 wurde das Wasserwerk erweitert. Es erhielt im Osten ein neues Maschinen- und ein Kesselhaus sowie einen 33 Meter hohen neuen Schornstein. Im Maschinenhaus wurde eine Zwillings-Verbund-Dampfmaschine mit gekuppelter Dampfmaschine eingebaut. Der Dampf kam aus einem ebenfalls neu errichten Flammrohrkessel.

Eine elektrische Pumpe wurde 1925 eingebaut. Sie diente der Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit und arbeitete nachts mit billigem Nachtstrom. Die 1938 aufgestellte und mit einem Vierzylinder-Gasmotor betriebene Kreiselpumpe tat so gut wie nie ihren Dienst, da der Motor zu viel Gas verbrauchte.

Im Wasserwerk wohnten der Maschinenmeister und mit dem Neubau von 1905 auch noch zwei Maschinisten.

Das Wasserwerk wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, konnte jedoch schon am 11. Juni 1945 wieder den Betrieb aufnehmen. Seit 1947 wurde es ausschließlich elektrisch betrieben.

Das Ende des Wasserwerks Fusternberg bahnte sich 1948 an, als die Stadtwerke das Bagel'sche Grundstück (Gut Wackenbruch) in Obrighoven erwarben. Hier wurden neue Brunnen gebohrt für das sogenannte Wasserwerk II, das 1953 seinen Dienst aufnahm und sauberes Trinkwasser förderte. Die Qualität des Lippewassers, das bei höheren Wasserständen der Lippe in die Förder- und Sammelbrunnen des alten Wasserwerks gelangte, litt durch die Industrieanlagen im oberen und mittleren Lippegebiet. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte man das Wasser wegen der dieser starken Verschmutzung chloren müssen. Am 16. Oktober 1953 löste das neue Wasserwerk das alte ab, das aber vorerst noch Trinkwasser förderte. Drei Jahre später wurde es endgültig stillgelegt.

Das Wasserwerk Fusternberg wurde nicht abgerissen, sondern blieb samt dem alten Maschinenpark erhalten. Es ist heute ein anerkanntes und bekanntes Industriedenkmal, das ganzjährig besichtigt werden kann. Es wurde 1983 in die Denkmalliste aufgenommen.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)