Inhalt

Stichtag: 27. März 1998 - Eröffnung des städtischen Jugendzentrums Karo

Publiziert am

Das Stadtarchiv und das Jugendzentrum sind in Wesel auf besondere Weise miteinander verknüpft. Sie stehen nicht nur symbolisch für die Bewahrung der Vergangenheit und die Vorbereitung auf die Zukunft, sondern sind auch durch ihre Räumlichkeiten verbunden.

Mehrere Generationen Weseler Kinder und Jugendliche nutzten ab 1956 die Räume der ehemaligen Garnisonsbäckerei auf dem Zitadellengelände. Die Räumlichkeiten lagen allerdings nicht wie gewünscht im Stadtzentrum. Auch das Weseler Stadtarchiv suchte nach langen Jahren des Provisoriums neue Büro- und Magazinflächen.

Eine Lösung versprach das 1908 vom Evangelischen Frauenverein errichtete Karolinenheim am Herzogenring. Das Anwesen – mittlerweile im städtischen Besitz – beherbergte bis Oktober 1996 die Krankenpflegeschule Niederrhein als Mieter. Erstmalig war die Idee, das Karolinenheim als Jugendzentrum zu nutzen, schon im November 1995 aufgekommen. Auch das Archiv kam als Nachnutzer in Frage, entschied sich dann aus Gründen der Statik – aufgrund der schweren Rollregalanlagen – just für den ehemaligen Standort des Jugendzentrums in der Baeckerey.

Ein kurzfristiger Umzug des Jugendzentrums von der Zitadelle in den Herzogenring scheiterte an der überaus schlechten Bausubstanz der Villa. Bei einem Ortstermin mehrerer städtischer Ausschüsse erkannte man bald, dass die ursprünglich geplanten 150.000 Mark für eine Sanierung bei Weitem nicht ausreichend waren. Dass eine Reparatur oder sogar eine vollständige Erneuerung des Daches erforderlich sein würde, muss bekannt gewesen sein, da Vertreter der Krankenpflegeschule zwischen 1987 und 1996 immer wieder eindringlich auf Leckstellen im Dach hingewiesen hatten. Anfang 1997 kalkulierte die Stadt die Kosten für die Instandsetzung auf ziemlich genau eine Million Mark.

Zwischenzeitlich lag im September 1996 immerhin ein umfassendes Konzept für das Jugendzentrum im Karolinenheim vor, das vor allem dem Bedeutungs- und Funktionswandel eines Jugendzentrums Rechnung tragen musste. Standen in der Zitadelle noch freizeitpädagogische Angebote im Mittelpunkt, sollten es am neuen Standort nun vor allem sozialpädagogische Ansätze sein. Das pädagogische Personal sollte zunehmend zu Bezugs- und Begleitpersonen für Kinder und Jugendliche werden. Dem wollte man mit einem großen Pädagogen-Team und individuell ausgestatten Räumlichkeiten für verschiedene Zwecke gerecht werden.

Damit das Karolinenheim aber überhaupt entsprechend saniert werden konnte, waren Fördergelder notwendig. Mit einem Baubeginn sei daher erst im Frühjahr 1997 zu rechnen, wie der damalige Dezernent und spätere Bürgermeister Jörn Schroh (CDU) leicht verbittert resümierte. Tatsächlich fanden erst im Mai 1997 die ersten konkreten Baubesprechungen im Hansaring statt. Anfang Juli 1997 war der entscheidende Schritt getan, als das Land NRW aus seinem Förderprogramm „Stadterneuerung“ 674.000 Mark bewilligte und damit siebzig Prozent des Gesamtbedarfs gedeckt waren. Die Baugenehmigung zum Umbau und zur Nutzungsänderung lag im September 1997 vor.

Bis Mitte März 1998 hatte die mit der Ausführung beauftragte Bauverein Wesel AG alle Arbeiten vollendet, sodass am 27. März 1998 das Karolinenheim in einem feierlichen Akt seiner neuen Bestimmung als Jugendzentrum übergeben werden konnte. Die eigentliche Eröffnungsfeier für die Weseler Kinder und Jugendlichen fand einen Tag später mit einem Tag der offenen Tür statt. Ein buntes Rahmenprogramm rundete die Einweihung ab.

Das Jugendzentrum – in Trägerschaft des Jugendamtes der Stadt Wesel – bot nun auf vier Stockwerken fast neunhundert Quadratmeter für Kinder und Jugendliche an. Es gab einen großen Multifunktionsraum „Endstation“, ein Jugendcafé „Wartesaal“, eine Werkstatt, einen Proberaum für die Musikbegeisterten, einen Raum zum Toben, einen Bastelraum, einen Spielraum, einen Entspannungsraum sowie zwei Büros für die Mitarbeitenden unter der Leitung von Inge Reitz. Geöffnet war außer montags täglich von 13:30 bis 17:30 Uhr für die Jüngsten und von 18 bis 21 Uhr für Jugendliche ab 13 Jahren.

Ein Blick in den Bericht des Jugendzentrums für das Jahr 1999 verrät, dass sich das „Karo“ schon kurz nach Eröffnung mehr als nur etabliert hatte. Die Öffnungszeiten wurden schnell auf 42 Wochenstunden – von Dienstag bis Sonntag je von 15 bis 22 Uhr – verlängert. Auch das umfangreich ergänzte Kursangebot fand schnell die Begeisterung der Jugendlichen. Tanzen, Gitarre spielen oder töpfern waren nur drei der sehr beliebten Freizeitbeschäftigungen, die man im Karo erlernen konnte. Meist nahmen mehr als siebzig Jugendliche an den Angeboten teil. Auch größere Kooperationsprojekte mit Kultur und Wirtschaft gehörten zu den regelmäßigen Angeboten. So gab es schon im Mai 1998 eine vom Weseler Arbeitsamt organisierte Jugend-Jobbörse im Karo. Hier konnten arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren und vornehmlich ohne Ausbildung direkt mit potentiellen Arbeitgebern in Kontakt kommen. Ermöglicht wurden all diese Angebote von einem mittlerweile sechsköpfigen pädagogischen Team unter der Leitung von Matthias Schüller.

Das Jugendzentrum „Karo“ ist nach nunmehr 25 Jahren und noch immer unter der Leitung Schüllers eine der wichtigsten Anlaufstellen für die Weseler Jugend. Hier werden die individuellen und sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Kreativität und Bewegung gefördert.

 

(Autor: Dr. Heiko Suhr)