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Stichtag: Juni 1325 - Aus einer Terminei wurde ein Kloster – die Augustiner-Eremiten in Wesel

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Appollonius Sanctreil, Mitglied des damals einflussreichsten Weseler Patriziergeschlechts, der sich selbst in der Urkunde Burggraf zu Wilaken nennt, schenkte am 16. Juni 1325 dem Kloster der Augustiner-Eremiten zu Marienthal, dem ältesten dieser Art in Deutschland, ein großes Grundstück in der Torfstraße. Auf ihm sollte ein Dormitorium (Schlafsaal) als Teil einer Terminei errichtet werden, die die Mönche unterhielten. Als Terminei bezeichnete man die Almosensammelstellen der Bettelorden. Weitere Schenkungen arrondierten den Besitz, der kontinuierlich ausgebaut und am 20. Mai 1353 zum selbständigen Kloster erhoben wurde. Die Neugründung erhielt vom Mutterkloster neben anderem auch sieben Termineien in den heutigen Niederlanden.

Das Kloster erstreckte sich von der Torfstraße, die damals wegen des Anliegers Augustinerstraße hieß, bis zur Ritterstraße. An der Westseite legte die Stadt um 1370 als Abgrenzung zu den Nachbarn eine Straße an. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erwarben die Mönche alle östlich des Klosters gelegenen Grundstücke bis zur Bierbrauerstraße, so dass es nunmehr keine direkten Nachbarn mehr gab. Das Kloster wurde dem größeren Platz entsprechend großzügig umgebaut - ein Zeichen für ziemlichen Wohlstand. Es verfügte ausweislich des noch vorhandenen Kopiars aus dem frühen 16. Jahrhundert über einen stattlichen Besitz.

Das Augustinerkloster spielte während der Reformationszeit - Martin Luther gehörte diesem Orden an - eine wichtige Rolle. Weseler Augustiner predigten regelmäßig in der Pfarrkirche, darunter einige in lutherischem Sinne. Als die Stadt 1540 protestantisch wurde, wählte das Kloster - allerdings keinesfalls einstimmig und unter starkem Druck der Stadt - einen Lutheraner zum Prior. Ihre Kirche diente ab 1545 zeitweilig wallonischen wie englischen Religionsflüchtlingen als Gotteshaus. Die Ordensgemeinschaft zerfiel zunehmend; 1587 war das Kloster für längere Zeit verwaist und wurde den Oberndorfer Prämonstratenserinnen zugewiesen, deren Kloster nach dem Abzug spanischer Truppen von der Stadt aus Sicherheitsgründen zerstört worden war.

Nach den Rekatholisierungsversuchen der Spanier, die im September 1614 Wesel eroberten, machten die Niederländer, die 1629 die Stadt den Spaniern abnahmen, mit dem Kloster kurzen Prozess. Die letzten Augustiner-Eremiten verließen mit den Spaniern die Stadt und die Niederländer lösten das wieder leerstehende Kloster 1630/31 auf. Die Kirche wurde anfangs den englischen Soldaten in niederländischen Diensten zum Gottesdienst zugewiesen. Später diente sie als Gewehrlager, Schauspielhaus, Lazarett und zuletzt als Korn- und Mehlmagazin der Garnisonsmühle. Die übrigen Gebäude wurden verkauft und fortan als Wohngebäude genutzt. Teile der noch vorhandenen Bibliothek wurden der Heresbach-Bibliothek im Willibrordi-Dom übergeben. Mit der Aufhebung des Klosters verschwand auch die Straßenbezeichnung Augustinerstraße. Die ehemaligen Klostergebäude blieben bis 1945 erhalten und fielen im Februar 1945 der Zerstörung anheim.

 

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)